Vom Handeln Gottes ergriffen
Für viele Menschen der Moderne scheint Gott zu schweigen. Diese Erfahrung teilen wir Priester mit ihnen. Von uns wird eine Wegbegleitung zum Glauben erwartet, dass Gott lebt und auch heute wirkt. Gottes Liebe und Führung will erkannt werden. Um dies wahrzunehmen, bedarf es einer gläubigen Voreinstellung, die mit Gottes Gegenwart und Wirken in dieser Welt rechnet. Der Priester soll diese Achtsamkeit vorleben und dazu ermutigen. Er braucht Zeiten der Stille und des Gebetes, wenn er sich mit der Sprache Gottes in der Heiligen Schrift, im Zeitgeschehen und in den Seelen der Menschen vertraut machen will. Es geht um ein immer neues Hören, Horchen und Gehorchen, um schließlich ganz Gott zu gehören.
In Jesus Christus hat sich das Handeln Gottes grundlegend ein für alle Mal ereignet. Der Priester ist nur in Christus in der Lage, dieses Geheim nis für heute sichtbar zu machen. Wenn er sich von Gott berührt und geliebt weiß, kann er für andere zum Transparent Christi werden, der am Herzen des Vaters ruht und Kunde gebracht hat.
Die Zeichen der Zeit sind auch heute zu deuten, wie es Auftrag Jesu ist. Nach der spirituellen
Tradition des Ignatius von Loyola gilt: Gott suchen und finden in allen Dingen, Menschen und
Ereignissen. So eine Spurensuche ist heute vordringlich. Sie muss sich verbinden mit der Gabe
der Unterscheidung, um zu erkennen, was in den großen Trends und Ereignissen der Zeit und in
der Seele eines Menschen von Gottes Geist geprägt oder vom Geist des Widersachers bestimmt
ist. Die Welt braucht den prophetischen Priester, der ins Wort bringt, was nach Gottes geheimnisvoller
Vorsehung heute geschieht und morgen vielleicht möglich wird. Seine Worte sollen klären,
inspirieren und nach vorn weisen. Viele Christen trauern dem nach, was heute alles nicht mehr
geht. Sie brauchen den Priester, der die positiven Signale sieht und sich zum Anwalt einer neuen
Gestalt macht, die Gott für seine Kirche in heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen schaffen will.
Wir erfahren: Wer ein Gespür für Gottes Handeln in der Zeit entwickelt, kann mit Tradition gut
umgehen und gleichzeitig neuen Impulsen folgen. Es ist ja derselbe Geist Gottes, der seine Kirche
ursprungstreu erhält und zugleich auf die Höhe der Zeit führt.